Frauenwahlrecht
Ein Beitrag zu 100 Jahre Frauenwahlrecht
Ländliche Frauenbewegung – von Elisabet Böhm bis Elisabeth Mischlich
Ein Beitrag zu 100 Jahre Frauenwahlrecht
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts erfasste die Frauenbewegung Arbeiterinnen und Frauen aus dem Bürgertum. Obwohl zu der Zeit ca. 3 Millionen Frauen in der Landwirtschaft erwerbstätig waren, nahmen diese Bewegungen keinen Einfluss auf die Frauen der Landwirtschaft. Ein patriarchalisch geprägtes Leben auf den Höfen, starke Standesunterschiede zwischen Gutsfrau, Bäuerin und Bediensteten und auch ein Gesetz, das bis 1918 Zusammenschlüsse des landwirtschaftlichen Gesinde in jeglicher Form verbot, sind einige Gründe dafür, dass Frauen auf dem Lande weit hinter den Städterinnen zurück standen. Missstände gab es zu der Zeit in der Landwirtschaft genügend zu beklagen und die Bereitwilligkeit der Frauen, etwas an ihrer Lebens-und Arbeitssituation zu ändern, war erwacht!!
Die Initiative zur Gründung einer Vereinigung für Hausfrauen auf dem Lande kam von einer ostpreußischen Gutsbesitzerfrau, Elisabet Böhm. Die 1859 geborene Landwirtstochter heiratete 1880 den fortschrittlich denkenden Gutsherren Otto Böhm ohne auf ihr Leben als Gutsherrin vorbereitet zu sein. Schon damals erkannte Elisabet Böhm wie notwendig eine Ausbildung und Fortbildung der Frauen und die Anerkennung ihrer Arbeit, auch als Bestandteil des Betriebseinkommens, sind und wie wichtig auch die Zusammenarbeit mit den städtischen Hausfrauen ist, zur Überbrückung der Gegensätze zwischen Stadt und Land!
Sie gründete 1898 den ersten Landwirtschaftlichen Hausfrauenverein und legte damit den Grundstein der Landfrauenbewegung. Auch Frauen, die nicht in der Landwirtschaft tätig waren, konnten Mitglieder werden. So förderte Elisabet Böhm schon damals den Erzeuger-Verbraucher-Dialog. Ein wichtiges Anliegen war ihr die Versorgung der Bevölkerung mit frischen Nahrungsmitteln. Daraus resultierte gleichzeitig eine besondere Absatzmöglichkeit von landwirtschaftlichen Erzeugnissen und eine eigene Einnahmequelle für die Bäuerinnen. Jeder Verein eröffnete eine eigene Verkaufsstelle.
Die Biene, auch heute noch das Verbandszeichen der Landfrauen, wurde damals als Qualitätszeichen für landwirtschaftliche Produkte entwickelt. Im Haushalt gewann die berufliche Aus – und Weiterbildung an Bedeutung. Es entstand eine enge Verzahnung zwischen Landfrauen und den Referentinnen der Landwirtschaftskammern. Daraus rekrutierten die ersten Lehrfrauen in der ländlichen Hauswirtschaft. Aus diesen ersten Anfängen entstand eine große Frauenbewegung mit immer mehr Vereinen und Zusammenschlüssen mit anderen Organisationen. Vor dem 2. Weltkrieg hatten sich bereits 2458 Kreis- und Ortsvereine gebildet. Schon recht bald nach Kriegsende ergriffen Bäuerinnen die Initiative zur Gründung der Landfrauenvereine in ihrer heutigen Form.
1948, 50 Jahre nach Gründung des 1. Vereins, wurde der deutsche Landfrauenverband gegründet, der auch Mitglied im Weltlandfrauenverband wurde. Heute gibt es bundesweit 500.000 Landfrauen in 22 Landesverbänden, 430 Kreisverbänden und über 12.000 Ortsvereinen. 1973 schlossen sich die beiden Landfrauenverbände Kurhessen und Hessen-Nassau zum LANDFRAUENVERBAND HESSEN zusammen. Heute zählt dieser Verband 47.000 Mitglieder und ist damit der mitgliederstärkste Frauenverband in Hessen. An seiner Spitze steht die Präsidentin Hildegard Schuster.
Unser Bezirkslandfrauenverein Groß- Gerau, geführt von Irene Fückel, zählt 2.000 Mitglieder in 21 Ortsvereinen.
Und WIR, die Nauheimer Landfrauen, sind mittendrin!
Ein starkes Netzwerk – die Gemeinschaft der Frauen auf dem Lande. Nach wie vor tritt der Landfrauenverein für die berufsständigen Interessen der Bäuerinnen ein. Aber er ist auch die Interessenvertretung aller Frauen im ländlichen Raum und engagiert sich für die Verbesserung der sozialen, wirtschaftlichen und rechtlichen Situation der Frauen. Der Landesverband steht in engem Kontakt zu Parlamentarierinnen und Parlamentariern, zu berufsständigen Organisationen sowie nationalen und internationalen Verbänden und nimmt zu gesetzgebenden und politischen Vorhaben öffentlich Stellung.
Die Gleichberechtigung der Frau, gleicher Lohn für gleiche Arbeit, Vereinbarkeit von Familie und Beruf und die Weiterbildung der Frauen zu gesellschaftlichen und sozialpolitischen Themen sind Inhalte der Landfrauenarbeit. Landfrauen informieren sich über Fragen der Gesundheit und der gesunden Ernährung und geben ihr Wissen weiter. Sie erwerben berufliche Qualifikationen und setzen sich für den hauswirtschaftlichen Unterricht an Schulen ein. Vorträge, Reisen, Besichtigungen und vielfältige Aktivitäten gehören ebenfalls zum Angebot der Landfrauenvereine.
Elisabet Böhm steht also für den Aufbruch der Landfrauen am Anfang des 20. Jahrhunderts. Mit ihr hat der lange mühevolle Weg zu mehr Anerkennung, Bildung, Selbstbestimmung, Einflussnahme und Gleichberechtigung begonnen. Der Landfrauenverband heute legt seine besonderen Schwerpunkte auf die Entwicklung ländlicher Räume, denn die Erwerbssituation für Frauen dieser Regionen leidet in besonderer Weise unter der globalen, wirtschaftlichen und technologischen Entwicklung. Ähnliches gilt für die Verbraucher/innen: Was für die Einzelne / den Einzelnen zählt, ist in erster Linie das Angebot vor Ort. Hier bildet die ehrenamtliche Tätigkeit der Frauen auch weiterhin die wichtigste Grundlage: die Vereine werden das sein, was sie selbst aus sich machen.
Die „Nau’mer Landfrauen ich bin dabei!“ Gründung und Entwicklung des Landfrauenvereins Nauheim
Unser Verein wurde 1953 von der ortsansässigen Bäuerin Elisabeth Mischlich gegründet. Sie stand dem Verein 20 Jahre vor. Ihre Nachfolge trat Herta Kuhlmann für 5 Jahre an, danach übernahm Anne Dammel die Vereinsführung bis heute. Das 65-jährige Vereinsbestehen konnte am Anfang des Jahres 2018 in schönem Rahmen mit geladenen Gästen gefeiert werden. Die Mitgliederzahl beträgt zur Zeit 276 Frauen verschiedener Berufs-und Altersgruppierungen, davon sind 1,5% Bäuerinnen. Mit dieser Zahl sind die Nauheimer Landfrauen der mitgliederstärkste Ortsverein im Bezirkslandfrauenverein Groß- Gerau. Das ganze Jahr über treffen wir uns montags vierzehntägig im Café Stelzer in der Bahnhofstraße 9, das schon über 40 Jahre Vereinsdomizil ist. Als überparteilicher und überkonfessioneller Zusammenschuss von Frauen bringen wir die Belange der Mitglieder im öffentlichen Leben zur Geltung. Es werden Vereine und Institutionen in sozialen Bereichen ideell und finanziell unterstützt. Wir bieten interessante Vorträge zu aktuellen Themen, wobei die Geselligkeit nicht zu kurz kommt. Es werden Besichtigungsfahrten, Radtouren, Reisen mit Kulturprogramm etc. unternommen. Wichtig ist bei uns die Erhaltung von Traditionen und Kulturgut, ohne zu verstauben. Die Grundlagen unseres Programms sind damals wie heute die Erwachsenenbildung und die Geselligkeit. Für gute Lebensbedingungen und Umstände engagieren wir uns vor Ort. Höhepunkte in unserem Vereinsleben sind die alljährliche Landfrauenfasenacht mit der Multiple Sklerose- Selbsthilfegruppe Nauheim. Freundschaftliche Kontakte bestehen auch zu den Gau- Bickelheimer Landfrauen und den Ahmadyyia- Frauen und zu Nauheimer Vereinen, um hier nur einige zu nennen.
Etwas ganz Besonderes in unserem Vereinsablauf ist die Herstellung der Latweje (Pflaumenmus). Über 30 Jahre wird das schwarze Gold aus Nau’m in Gemeinschaftsaktion über viele Stunden gerührt und dann kesselfrisch an die Liebhaber verkauft. Dabei wird Kaffee & Kuchen in der Bahnhofstraße 19 angeboten. Weitere regelmäßige Aktivitäten kommen hinzu: Am Nau´mer Hasenfest unter dem Motto, „Aktion Osterei – Sei auch Du dabei!“ schmücken Groß und Klein die Osterkrone für den Brunnen vor dem Alten Rathaus, die jedes Jahr ein wahrer „Hingucker“ ist.
Die Mitgliedschaft im Landfrauenverein Nauheim ist eine persönliche Bereicherung, ein Miteinander – Füreinander. Bei uns findet jede interessierte Frau, die etwas für sich tun oder zusammen mit anderen Frauen etwas unternehmen möchte, passende wie auch interessante Möglichkeiten in verschiedenen Gruppenaktivitäten:
• „Singen macht Spaß“, immer montags um 18.00 Uhr im Evangelischen Gemeindehaus, Pfarrgasse 13
• „Rein in die Schuhe – fertig los“ heißt es für die Läuferinnen jeden Dienstag um 19.00 Uhr am Ende der Berzalle an den Wildschweinskulpturen.
• „Geselligkeit & Kreativität“ Handarbeitstreff, jeden Mittwoch um 18.00 Uhr im Alten Rathaus
• Die „Radgruppe on Tour“ trifft sich jeden 1. Mittwoch im Monat an den Wildschweinskulpturen am Ende der Berzallee.
Zu allen Aktivitäten sind auch Nichtmitglieder herzlich willkommen!
Abschließend ist festzuhalten, dass sich viel in den vergangenen Jahren getan hat: 100 Jahre Frauenwahlrecht und Landfrauenbewegung sind untrennbar mit dem Kampf der Frauen für mehr Gleichberechtigung und Chancengleichheit verbunden.
Allerdings ist auch noch viel zu tun: Um die politische Gleichstellung, wie sie sich heute darstellt, sicherzustellen, müssen wir Frauen weiterhin am Ball bleiben. Der Mut, die Ausdauer und die Fantasie dürfen uns nicht ausgehen. Das haben uns die Pionierinnen in Verantwortung vor gelebt für eine bessere Zukunft für alle Frauen.
Packen wir es an!!